Kathrin van der Merwe arbeitet als Designerin & Illustratorin in Hamburg. Unter dem Namen "left handed – Design & Illustration" betreut sie seit fast zehn Jahren Kunden aus den unterschiedlichsten Bereichen. Sie ist durchweg sympathisch, hat ein hervorragendes Gespür für typografische Schmuckstücke und wäre eigentlich eine perfekte Kandidatin für die Skizzenbuch-Reihe. Gäbe es da nicht noch ein großartiges Projekt von ihr, nämlich den Märchenbaukasten. Ich finde Idee und Umsetzung derart gelungen, dass ich nicht anders konnte, als Kathrin zum "Fundstück" zu erklären und mit vielen Fragen zu löchern …
Wie
kamst du zu dem, was du heute tust?
Nach
dem Abitur habe ich aus Unerfahrenheit erstmal die Mappenprüfung am
Fachbereich Gestaltung der HAW Hamburg vergeigt und mir dann – um
diese frustrierende Erfahrung reicher – im Anschluss viel Zeit
genommen, eine wirklich umfangreiche Mappe zu erarbeiten. Während
dieser Zeit habe ich parallel eine Ausbildung zur Werbekauffrau
gemacht, um beruflich schon mal ein bisschen voranzukommen. Danach
habe ich in Hamburg an der HAW Kommunikationsdesign und Illustration
studiert. Zwischen Lehre und Studium habe ich ein Praktikum in einer
Hamburger Designagentur gemacht und dort im Anschluss auch während
des Grundstudiums in Teilzeit gearbeitet. Dank eines Stipendiums
konnte ich nach der Zwischenprüfung für ein Praxissemester nach San
Francisco gehen – das war eine wirklich grandiose Zeit, in der ich
viel gelernt habe – auch über Design. ;)
Zurück
in Hamburg habe ich dann mein Hauptstudium begonnen und währenddessen
halbtags in verschiedenen Designagenturen gearbeitet. Nach Abschluss
der Diplomarbeit habe ich ein Jahr als festangestellte Designerin in
Vollzeit gearbeitet. Während dieser Zeit habe ich mir überlegt, in
welche Richtung ich beruflich gehen möchte und habe recherchiert,
mich beraten lassen, einen Businessplan geschrieben, mein eigenes
Corporate Design entwickelt, erste Hard- und Software angeschafft –
und ordentlich Angst vor meiner eigenen Courage gehabt! Zum Glück
hat es geklappt. Seit 2004 bin ich selbstständig und ausgesprochen
glücklich damit.
Warum
hast du dich für die Selbstständigkeit entschieden?
Der
Hauptgrund in die Selbstständigkeit zu gehen war, dass ich mich
nicht nur auf eine Designdisziplin beschränken wollte. In den
meisten Agenturen muss man sich ja entscheiden, ob man Corporate
Design, Packaging Design, Illustration, Werbung oder ähnliches
machen möchte. Als freiberuflich tätiger Gestalterin bleibt es
hingegen mir und meinem Akquisegeschick überlassen, was für
Projekte ich an Land ziehe. Mal überwiegt der eine Bereich, mal der
andere. So wird die Arbeit nicht langweilig und die verschiedenen
Designdisziplinen profitieren voneinander.
Was
ist beruflich gesehen dein Spezialgebiet? Und was deine Leidenschaft?
Puh
– das ist gar nicht so leicht voneinander abzugrenzen. Meine
größten Kunden kommen sicherlich aus dem Verlagsbereich, ich
arbeite viel im Bereich redaktioneller Werbung und von
Sonderwerbeformen im Printbereich. Immer mehr kommen auch die
entsprechenden Online-Erweiterungen hinzu: Webbanner,
Online-Gewinnspielaktionen, digitale Newsletter. In diesem
Kundenbereich sind auch viele Broschüren und Kundenmagazine
angesiedelt, die ich gestalte.
Den
Verlagen zahlenmäßig überlegen sind meine Kunden aus dem
Corporate-Design-Bereich. Ich entwickele regelmäßig Corporate
Designs, überwiegend für kleine Unternehmen oder Existenzgründer.
Bei dieser Arbeit gibt es eine starke Beratungskomponente, bei der
ich mit dem Kunden gemeinsam herausarbeite, wo er steht, wo er hin
möchte und wen er damit ansprechen möchte. Diese Arbeit macht mir
viel Freude: Einem guten Produkt ein angemessenes Erscheinungsbild zu
geben, es in der Menge der Wettbewerber für den Kunden sichtbar zu
machen, das ist mein Anspruch an meine Arbeit.
Hin
und wieder bekomme ich auch ein Packaging-Projekt auf den Tisch,
worüber ich mich dann immer sehr freue, weil man bei Verpackungen
eine Menge Gestaltungsfläche hat und nicht wie bei einer
Logoentwicklung auf eine Wort- oder Bildmarke beschränkt ist.
Verpackungsprojekte landen aber in der Regel eher bei darauf
spezialisierten Packaging-Design-Agenturen auf dem Tisch, hin und
wieder arbeite ich daher in deren Auftrag an Projekten mit, oftmals
in der Phase der Ideenfindung.
Traumprojekte
sind die, bei denen ich auch Illustrationen mit einbringen kann.
Erfreulicherweise mischt sich das immer mehr – gerade im
Verlagsbereich. Illustrationen sind endlich wieder im Trend und viele
Sachverhalte werden heute auf diese Weise dargestellt, statt sie rein
fotografisch zu lösen. Im März kommt ein Kinderbastelbuch auf den
Markt für welches ich sämtliche Figuren und Anleitungen illustriert
habe.
Und
auch mein Herzensprojekt – der Märchenbaukasten – arbeitet mit
Illustrationen. Ich hoffe sehr, dass ich möglichst bald einen
Verlagspartner finde, der diese Idee zusammen mit mir publizieren
möchte.
Worum geht es bei deinem Märchenbaukasten?
Der Märchenbaukasten ist ein Kreativbaukasten, mit dessen Hilfe man neue Märchen in der Symbolsprache und Erzähltradition des Europäischen Volksmärchens erfinden kann. Über das Erwürfeln der Rahmenbedingungen und das Ziehen von Personen-. Tier-, Orts- Ereignis- und Attributkarten erhält der Erzählende einen roten Faden, an dem entlang er sein Märchen aufbaut. Sieben Grundregeln sind dabei zu beachten (denn die Sieben ist die große Märchenzahl), davon abgesehen darf der Erzähler seiner Fantasie freien Lauf lassen. In meinem Buch »Neue Märchen erzählen« ist die gesamte Entwicklung des Projektes sowie die ihr zugrunde liegende Theorie ausführlich beschrieben.
Wann
ist der Märchenbaukasten entstanden?
Der
Märchenbaukasten entstand im Frühjahr 2003. Ich habe damals im
Rahmen meiner Diplomarbeit die Idee und die theoretischen Grundlagen
entwickelt und die Gestaltung ausgearbeitet. 2008 habe ich dann auf
Anfrage eines Verlages begonnen, den theoretischen Teil meiner Arbeit
in Buchform zu fassen, erschienen ist es im Frühjahr 2009. Dabei
habe ich die Gelegenheit genutzt, den Kasten in jeder der fünf
Kategorien um eine zusätzliche Spielkarte auf zwölf zu erweitern,
60 Motive insgesamt, zusätzlich gibt es fünf Ordungskarten.
Zukünftige Erweiterungen sind nicht ausgeschlossen.
Wie
kam es zu der Idee?
Seit
meiner Kindheit liebe ich das Erzählen und Hören von Märchen aller
Art. Ganz besonders hat es mir dabei die Märchensammlung der Brüder
Grimm angetan. Diese Märchen sind typische Vertreter des
Europäischen Volksmärchens und in ihrer archaischen Symbolsprache
ganz tief in den Köpfen und Herzen der meisten Menschen unseres
Kulturkreises verankert. Für mich waren diese Märchen jedenfalls
immer ganz besonders magisch und faszinierend – sicherlich auch
aufgrund der Tatsache, dass ich in Nordhessen aufgewachsen bin,
zwischen Reinhardswald und Frau-Holle-Teich, Sababurg (das
»Dornröschenschloss«) und Werraland – dort, wo auch eine Menge
der Märchen der Brüder Grimm zu Hause sind und wo man auch heute
noch ganz viele märchenhafte Momente und Orte erleben kann.
Als
es darum ging, das Thema für meine Diplomarbeit zu wählen, war mir
klar, dass diese Chance, drei Monate ununterbrochen an einem eigenen
Projekt arbeiten zu können, vermutlich so schnell nicht wiederkommen
würde. Ich wollte sie nutzen, um eine echte Herzensache in Angriff
zu nehmen; etwas ganz Neues zu entwickeln und dafür auch ordentlich
Zeit in die Recherche und das Konzept zu investieren. Dass sich meine
Diplomarbeit um das Thema Märchen drehen sollte, war mir ganz
schnell klar. Auch klar war mir allerdings, dass das auf keinen Fall
nur dekoratives Hübschwerk werden sollte: hinter aller Gestaltung
sollte handfeste Theorie stehen, alle Theorie durch adäquate
Gestaltung visualisiert werden.
Ist
der Märchenbaukasten ein Einzelstück oder wird/wurde er in Serie
produziert?
Momentan
ist er leider immer noch ein heißgeliebtes Einzelstück. Ich war in
der Vergangenheit schon mal mit einem großen Spielverlag im
Gespräch, dem die Idee sehr gut gefiel und der auch die Gestaltung
mochte. Allerdings hätte ich, um in das Verlagsprogramm zu passen,
die Spielregeln verändern müssen und zwar so, dass man als Ziel des
Spieles gewinnen oder verlieren kann. Das hätte man dort spannender
gefunden. Ich habe das in Erwägung gezogen und verworfen. Es gibt
schon zu viele Situationen im Leben bei denen man am Ende als
Gewinner oder Verlierer dasteht. Genau das soll mit meinem
Märchenbaukasten nicht passieren, dort geht es einzig und allein
darum, neue Märchen zu erfinden, die Erzähler und Zuhörer
gleichermaßen zu Gewinnern machen sollen. Ich habe in Erwägung
gezogen, den Märchenbaukasten in Eigenproduktion zu vermarkten, aber
ganz realistisch betrachtet habe ich leider weder Zeit und Budget,
noch Lagerkapazitäten und Logistik, um das alleine bewältigen zu
können.
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Alle Fotos: © Kathrin van der Merwe / Brigitte S. Werner |
Was
würdest du dir wünschen?
Dass
ich einen Kooperationspartner finde, der den Märchenbaukasten mit
mir zusammen publizieren möchte. Mein Traumpartner wäre ein Verlag,
der im Bereich pädagogisch wertvoller Spielsachen tätig ist und
vielleicht auch Lehrmitteln für den therapeutischen Einsatz im
Programm hat. Dem gute Gestaltung am Herzen liegt und der die
Kreativität und Intelligenz seiner Zielgruppe nicht unterschätzt.
Wem
würdest du den Märchenbaukasten gerne ans Herz legen?
Allen
Menschen, die es lieben, Märchen zu erzählen und erzählt zu
bekommen. Und ganz besonders allen Menschen, die therapeutisch
arbeiten, weil sie mit Hilfe des Märchenbaukastens einen
spielerischen Zugang zu ihrem Gegenüber finden können. Mit Hilfe
der archetypischen Märchen bekommen sie einen Einblick in dessen
Gedanken, sein Weltbild und sein Wertesystem.
Woher
nimmst du deine Inspiration?
Ich
bin neugierig und gehe mit offenen Augen und Ohren durch die Welt.
Ich liebe es, zu improvisieren und Sachen zu erfinden – was
sicherlich auch daran liegt, dass ich eine sehr kreative Mutter habe,
die Erzieherin von Beruf ist. Mein ganzes Leben lang haben wir
gemeinsam gebastelt und alle möglichen Dinge zweckentfremdet, um
ihnen mit einer alternativen Bestimmung neues Leben einzuhauchen. Bei
uns gab es eigentlich kein »Einzweckspielzeug«. Ein kleines
Schränkchen war an einem Tag ein Kaufmannsladen, am nächsten Tag
eine Spielküche und bei Bedarf wurde anschließend eine Puppenstube
daraus. Und später hat das Schränkchen noch lange als
Aufbewahrungsort für Bücher und Spiele gedient. Aus Luftballons und
Seidenpapier wurde mit Hilfe von Kleister eine Laterne, aus Pappmache
haben wir Obst, Gemüse und alles andere geformt und angemalt, was
für den Kaufmannsladen benötigt wurde. Auch heute noch überlege
ich bei vielen Dingen die ich in die Finger bekomme sofort, was man
sonst noch daraus machen könnte.
Herzlichen Dank, liebe Kathrin, für dieses ausführliche Interview! Ich wünsche dir viel Erfolg auf der Suche nach einem passenden Verlag – lass es uns bitte wissen, wenn es soweit ist!