07.03.2013

Fundstück des Monats … Kathrin van der Merwe





Kathrin van der Merwe arbeitet als Designerin & Illustratorin in Hamburg. Unter dem Namen "left handed – Design & Illustration" betreut sie seit fast zehn Jahren Kunden aus den unterschiedlichsten Bereichen. Sie ist durchweg sympathisch, hat ein hervorragendes Gespür für typografische Schmuckstücke und wäre eigentlich eine perfekte Kandidatin für die Skizzenbuch-Reihe. Gäbe es da nicht noch ein großartiges Projekt von ihr, nämlich den Märchenbaukasten. Ich finde Idee und Umsetzung derart gelungen, dass ich nicht anders konnte, als Kathrin zum "Fundstück" zu erklären und mit vielen Fragen zu löchern … 



Wie kamst du zu dem, was du heute tust?

Nach dem Abitur habe ich aus Unerfahrenheit erstmal die Mappenprüfung am Fachbereich Gestaltung der HAW Hamburg vergeigt und mir dann – um diese frustrierende Erfahrung reicher – im Anschluss viel Zeit genommen, eine wirklich umfangreiche Mappe zu erarbeiten. Während dieser Zeit habe ich parallel eine Ausbildung zur Werbekauffrau gemacht, um beruflich schon mal ein bisschen voranzukommen. Danach habe ich in Hamburg an der HAW Kommunikationsdesign und Illustration studiert. Zwischen Lehre und Studium habe ich ein Praktikum in einer Hamburger Designagentur gemacht und dort im Anschluss auch während des Grundstudiums in Teilzeit gearbeitet. Dank eines Stipendiums konnte ich nach der Zwischenprüfung für ein Praxissemester nach San Francisco gehen – das war eine wirklich grandiose Zeit, in der ich viel gelernt habe – auch über Design. ;)


Zurück in Hamburg habe ich dann mein Hauptstudium begonnen und währenddessen halbtags in verschiedenen Designagenturen gearbeitet. Nach Abschluss der Diplomarbeit habe ich ein Jahr als festangestellte Designerin in Vollzeit gearbeitet. Während dieser Zeit habe ich mir überlegt, in welche Richtung ich beruflich gehen möchte und habe recherchiert, mich beraten lassen, einen Businessplan geschrieben, mein eigenes Corporate Design entwickelt, erste Hard- und Software angeschafft – und ordentlich Angst vor meiner eigenen Courage gehabt! Zum Glück hat es geklappt. Seit 2004 bin ich selbstständig und ausgesprochen glücklich damit.



Warum hast du dich für die Selbstständigkeit entschieden?

Der Hauptgrund in die Selbstständigkeit zu gehen war, dass ich mich nicht nur auf eine Designdisziplin beschränken wollte. In den meisten Agenturen muss man sich ja entscheiden, ob man Corporate Design, Packaging Design, Illustration, Werbung oder ähnliches machen möchte. Als freiberuflich tätiger Gestalterin bleibt es hingegen mir und meinem Akquisegeschick überlassen, was für Projekte ich an Land ziehe. Mal überwiegt der eine Bereich, mal der andere. So wird die Arbeit nicht langweilig und die verschiedenen Designdisziplinen profitieren voneinander.

Was ist beruflich gesehen dein Spezialgebiet? Und was deine Leidenschaft?

Puh – das ist gar nicht so leicht voneinander abzugrenzen. Meine größten Kunden kommen sicherlich aus dem Verlagsbereich, ich arbeite viel im Bereich redaktioneller Werbung und von Sonderwerbeformen im Printbereich. Immer mehr kommen auch die entsprechenden Online-Erweiterungen hinzu: Webbanner, Online-Gewinnspielaktionen, digitale Newsletter. In diesem Kundenbereich sind auch viele Broschüren und Kundenmagazine angesiedelt, die ich gestalte.




Den Verlagen zahlenmäßig überlegen sind meine Kunden aus dem Corporate-Design-Bereich. Ich entwickele regelmäßig Corporate Designs, überwiegend für kleine Unternehmen oder Existenzgründer. Bei dieser Arbeit gibt es eine starke Beratungskomponente, bei der ich mit dem Kunden gemeinsam herausarbeite, wo er steht, wo er hin möchte und wen er damit ansprechen möchte. Diese Arbeit macht mir viel Freude: Einem guten Produkt ein angemessenes Erscheinungsbild zu geben, es in der Menge der Wettbewerber für den Kunden sichtbar zu machen, das ist mein Anspruch an meine Arbeit.

Hin und wieder bekomme ich auch ein Packaging-Projekt auf den Tisch, worüber ich mich dann immer sehr freue, weil man bei Verpackungen eine Menge Gestaltungsfläche hat und nicht wie bei einer Logoentwicklung auf eine Wort- oder Bildmarke beschränkt ist. Verpackungsprojekte landen aber in der Regel eher bei darauf spezialisierten Packaging-Design-Agenturen auf dem Tisch, hin und wieder arbeite ich daher in deren Auftrag an Projekten mit, oftmals in der Phase der Ideenfindung.



Traumprojekte sind die, bei denen ich auch Illustrationen mit einbringen kann. Erfreulicherweise mischt sich das immer mehr – gerade im Verlagsbereich. Illustrationen sind endlich wieder im Trend und viele Sachverhalte werden heute auf diese Weise dargestellt, statt sie rein fotografisch zu lösen. Im März kommt ein Kinderbastelbuch auf den Markt für welches ich sämtliche Figuren und Anleitungen illustriert habe.

Und auch mein Herzensprojekt – der Märchenbaukasten – arbeitet mit Illustrationen. Ich hoffe sehr, dass ich möglichst bald einen Verlagspartner finde, der diese Idee zusammen mit mir publizieren möchte.



Worum geht es bei deinem Märchenbaukasten?

Der Märchenbaukasten ist ein Kreativbaukasten, mit dessen Hilfe man neue Märchen in der Symbolsprache und Erzähltradition des Europäischen Volksmärchens erfinden kann. Über das Erwürfeln der Rahmenbedingungen und das Ziehen von Personen-. Tier-, Orts- Ereignis- und Attributkarten erhält der Erzählende einen roten Faden, an dem entlang er sein Märchen aufbaut. Sieben Grundregeln sind dabei zu beachten (denn die Sieben ist die große Märchenzahl), davon abgesehen darf der Erzähler seiner Fantasie freien Lauf lassen. In meinem Buch »Neue Märchen erzählen« ist die gesamte Entwicklung des Projektes sowie die ihr zugrunde liegende Theorie ausführlich beschrieben.



Wann ist der Märchenbaukasten entstanden?

Der Märchenbaukasten entstand im Frühjahr 2003. Ich habe damals im Rahmen meiner Diplomarbeit die Idee und die theoretischen Grundlagen entwickelt und die Gestaltung ausgearbeitet. 2008 habe ich dann auf Anfrage eines Verlages begonnen, den theoretischen Teil meiner Arbeit in Buchform zu fassen, erschienen ist es im Frühjahr 2009. Dabei habe ich die Gelegenheit genutzt, den Kasten in jeder der fünf Kategorien um eine zusätzliche Spielkarte auf zwölf zu erweitern, 60 Motive insgesamt, zusätzlich gibt es fünf Ordungskarten. Zukünftige Erweiterungen sind nicht ausgeschlossen.




Wie kam es zu der Idee?

Seit meiner Kindheit liebe ich das Erzählen und Hören von Märchen aller Art. Ganz besonders hat es mir dabei die Märchensammlung der Brüder Grimm angetan. Diese Märchen sind typische Vertreter des Europäischen Volksmärchens und in ihrer archaischen Symbolsprache ganz tief in den Köpfen und Herzen der meisten Menschen unseres Kulturkreises verankert. Für mich waren diese Märchen jedenfalls immer ganz besonders magisch und faszinierend – sicherlich auch aufgrund der Tatsache, dass ich in Nordhessen aufgewachsen bin, zwischen Reinhardswald und Frau-Holle-Teich, Sababurg (das »Dornröschenschloss«) und Werraland – dort, wo auch eine Menge der Märchen der Brüder Grimm zu Hause sind und wo man auch heute noch ganz viele märchenhafte Momente und Orte erleben kann.



Als es darum ging, das Thema für meine Diplomarbeit zu wählen, war mir klar, dass diese Chance, drei Monate ununterbrochen an einem eigenen Projekt arbeiten zu können, vermutlich so schnell nicht wiederkommen würde. Ich wollte sie nutzen, um eine echte Herzensache in Angriff zu nehmen; etwas ganz Neues zu entwickeln und dafür auch ordentlich Zeit in die Recherche und das Konzept zu investieren. Dass sich meine Diplomarbeit um das Thema Märchen drehen sollte, war mir ganz schnell klar. Auch klar war mir allerdings, dass das auf keinen Fall nur dekoratives Hübschwerk werden sollte: hinter aller Gestaltung sollte handfeste Theorie stehen, alle Theorie durch adäquate Gestaltung visualisiert werden.




Ist der Märchenbaukasten ein Einzelstück oder wird/wurde er in Serie produziert?

Momentan ist er leider immer noch ein heißgeliebtes Einzelstück. Ich war in der Vergangenheit schon mal mit einem großen Spielverlag im Gespräch, dem die Idee sehr gut gefiel und der auch die Gestaltung mochte. Allerdings hätte ich, um in das Verlagsprogramm zu passen, die Spielregeln verändern müssen und zwar so, dass man als Ziel des Spieles gewinnen oder verlieren kann. Das hätte man dort spannender gefunden. Ich habe das in Erwägung gezogen und verworfen. Es gibt schon zu viele Situationen im Leben bei denen man am Ende als Gewinner oder Verlierer dasteht. Genau das soll mit meinem Märchenbaukasten nicht passieren, dort geht es einzig und allein darum, neue Märchen zu erfinden, die Erzähler und Zuhörer gleichermaßen zu Gewinnern machen sollen. Ich habe in Erwägung gezogen, den Märchenbaukasten in Eigenproduktion zu vermarkten, aber ganz realistisch betrachtet habe ich leider weder Zeit und Budget, noch Lagerkapazitäten und Logistik, um das alleine bewältigen zu können.


Alle Fotos: © Kathrin van der Merwe  / Brigitte S. Werner


Was würdest du dir wünschen?

Dass ich einen Kooperationspartner finde, der den Märchenbaukasten mit mir zusammen publizieren möchte. Mein Traumpartner wäre ein Verlag, der im Bereich pädagogisch wertvoller Spielsachen tätig ist und vielleicht auch Lehrmitteln für den therapeutischen Einsatz im Programm hat. Dem gute Gestaltung am Herzen liegt und der die Kreativität und Intelligenz seiner Zielgruppe nicht unterschätzt.

Wem würdest du den Märchenbaukasten gerne ans Herz legen?

Allen Menschen, die es lieben, Märchen zu erzählen und erzählt zu bekommen. Und ganz besonders allen Menschen, die therapeutisch arbeiten, weil sie mit Hilfe des Märchenbaukastens einen spielerischen Zugang zu ihrem Gegenüber finden können. Mit Hilfe der archetypischen Märchen bekommen sie einen Einblick in dessen Gedanken, sein Weltbild und sein Wertesystem.

Woher nimmst du deine Inspiration?

Ich bin neugierig und gehe mit offenen Augen und Ohren durch die Welt. Ich liebe es, zu improvisieren und Sachen zu erfinden – was sicherlich auch daran liegt, dass ich eine sehr kreative Mutter habe, die Erzieherin von Beruf ist. Mein ganzes Leben lang haben wir gemeinsam gebastelt und alle möglichen Dinge zweckentfremdet, um ihnen mit einer alternativen Bestimmung neues Leben einzuhauchen. Bei uns gab es eigentlich kein »Einzweckspielzeug«. Ein kleines Schränkchen war an einem Tag ein Kaufmannsladen, am nächsten Tag eine Spielküche und bei Bedarf wurde anschließend eine Puppenstube daraus. Und später hat das Schränkchen noch lange als Aufbewahrungsort für Bücher und Spiele gedient. Aus Luftballons und Seidenpapier wurde mit Hilfe von Kleister eine Laterne, aus Pappmache haben wir Obst, Gemüse und alles andere geformt und angemalt, was für den Kaufmannsladen benötigt wurde. Auch heute noch überlege ich bei vielen Dingen die ich in die Finger bekomme sofort, was man sonst noch daraus machen könnte.


Herzlichen Dank, liebe Kathrin, für dieses ausführliche Interview! Ich wünsche dir viel Erfolg auf der Suche nach einem passenden Verlag – lass es uns bitte wissen, wenn es soweit ist!

Weitere Arbeiten von Kathrin: www.lefthanded-design.de


2 Kommentare:

  1. ich danke auch für das ausfürhliche Interview! Immer wieder spannend zu lesen, wie andere Grafiker arbeiten und denken. Eine Bereicherung! Schöne Grüße, Wiebke

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  2. sehr, sehr spannend! ich drücke kathrin die daumen, dass sie einen guten verlag findet. ich komme ja auch aus nordhessens märchenland und kann ihre faszination für die grimmschen brüder gut nachvollziehen!
    liebe grüße, mano

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