Achim Schaffrinna ist freischaffender Designer und Autor des Fachblogs
Design Tagebuch – vielen Gestaltern dürfte das sicher ein Begriff sein, auch bei mir gehört das Blog zur regelmäßigen Lektüre. Beinahe täglich werden dort neue Logos, Relaunches und Beiträge zum Thema Design veröffentlicht. Das Design Tagebuch zeichnet sich besonders durch seine fachkundigen Nutzer und die lebhaften (aber immer fairen) Diskussionen aus. Dass Achim nebenbei ein wunderbares zweites Blog schreibt, ist für viele vielleicht nicht ganz so bekannt, sollte es aber sein! Auf
The Globetrotter teilt Achim seine Passion für's Reisen. Er sammelt dort Reiseberichte, zeigt herrliche Fotos und stellt hilfreiche Informationen zur Verfügung – natürlich alles genauso strukturiert, wie es seine Leser vom Design Tagebuch bereits gewohnt sind. Ich freue mich, Achim heute hier als Gast zu haben und mit ihm über sein Blog, seine Arbeit und seine Reiselust zu plaudern …
Achim, warum hast du angefangen zu bloggen und
wie kam es letztendlich zum Design Tagebuch?
Im nachhinein ist dieser
Paradigmenwechsel, weg vom reinen Leser hin zum Autor, weg vom
Konsumenten hin zum Produzenten ein entscheidender Schritt gewesen,
auch für mich. Die Möglichkeit, Geschriebenes als Leser auch
kommentieren zu können, änderte zudem in besonderem Maße die Art
und Weise wie wir das Internet nutzen. Als ich im Mai 2006 mit dem
Schreiben im dt begann, gab es bereits ausgezeichnete Blogs. Ich fand
es ungemein spannend, was mit der ersten Web-2.0-Welle da so alles
angespült wurde. Ich merkte schnell, dass ich meine Passion für
Gestaltung auch in irgendeiner Weise öffentlich machen wollte, um
Gleichgesinnte anzusprechen. Nachwievor empfinde ich den Austausch
mit den Lesern ungemein bereichernd.
Das Design Tagebuch zählt laut
blogoscoop.net zu den 10 reichweitenstärksten deutschsprachigen Blogs – was bedeutet das für dich
und deinen Blog?
Wenn man bedenkt, dass ich
schwerpunktmäßig über Kommunikationsdesign schreibe – einem
absoluten Nischenthema für die allermeisten Menschen –, dann finde
ich das natürlich klasse. Dass man mit einem Ein-Mann-Format jeden
Monat eine Allianz-Arena gefüllt kriegt, wie mir es mal ein Leser
sehr bildhaft vor Augen geführt hat, ist schon enorm. Mehr muss
nicht sein. So wie es derzeit ist, ist es wunderbar.
Das Design Tagebuch stellt häufig
Re-Designs von Logos vor und regt damit zu heißen Diskussionen an –
was sind für dich Kriterien, die ein Re-Design rechtfertigen?
Regelmäßige Überprüfungen des
eigenen Erscheinungsbildes sollten selbstverständlich sein. Das gilt
für große Unternehmen ebenso wie für kleine. Die Gesellschaft
wandelt sich und mit ihr auch das (Geschmacks)Empfinden der Menschen.
Was früher als modern galt, kann heute spießig oder schrullig
wirken. Kommunikationsdesign unterliegt den gleichen Strömungen wie
wir sie in der Architektur, im automobilen Design, im Möbeldesign
oder in der Mode kennen. Wenn ein Firmenlogo Schlaghosen trägt,
sollte man schauen, ob man vielleicht den Schnitt verändert. Ebenso
kann eine veränderte Ausrichtung Auslöser für die Überarbeitung
des eigenen Corporate Designs sein. Spannend ist hierbei, ob sich das
Unternehmen tatsächlich nachhaltig verändert, oder ob die
Ausrichtung im Sinne einer Image-Verbesserung lediglich gewollt ist,
etwa um den (grünen) Schein zu wahren. Ich denke da an BP. Wenn mit
Design kaschiert wird, wenn Werte und Haltungen suggeriert werden,
die im Unternehmen keine Rolle spiele, dann stört mich das.
Du bist selbständiger Designer und
betreust Agenturen und Firmen im Bereich Corporate Design – gibt es bestimmte Sachverhalte, die
unabhängig vom Kunden immer wieder auftauchen? D.h. Dieselben
Fragestellungen, dieselben Probleme etc.?
Dafür ist mein Betätigungsfeld zu
vielfältig als dass ich spontan eine handvoll wiederkehrende
Probleme benennen könnte. Ich entwickle Corporate Design, verfasse
Website-Expertisen und schreibe Artikel im Blog wie auch für andere
Medien. Kein Kundenprojekt ist wie das andere. Sicherlich geht es mir
beim Abschätzen des Aufwands wie vielen anderen Kreativen auch. Man
fragt sich: wie hoch wird der Kommunikationsaufwand sein? Wie viele
Iterationen und welchen Zeitrahmen muss ich einplanen? Davon
abgesehen würde ich Auftragsarbeiten eher als Individuallösungen
bezeichnen, die jede für sich spezielle Herausforderungen mit sich
bringen.
Beschränkt sich deine Arbeit auf die
Beratung oder wirst du auch selbst als Gestalter aktiv?
Design ist weniger eine ausführende,
sondern vielmehr eine beratende Tätigkeit. In der Lehre wird leider
zu wenig darauf eingegangen. Bevor formalästhetische Fragen
ausgelotet werden, bespreche ich mit meinen Kunden grundsätzliche
Themen. Vor der Kreation stehen bei mir die Recherche und der Dialog
mit dem Kunden. Viele Kunden glauben, mit einem Logo sei es getan.
Ich versuche ihnen klar zu machen, dass ein neues Logo der letzte
Baustein in einem vielfältigen Maßnahmenpaket ist. Insofern berate
ich vor, während und nach der eigentlichen Entwurfsphase. Das
Schreiben im dt hat mir wohl dabei geholfen, einen gewissen Abstand
zu den einzelnen Entwürfen zu halten. Klar habe ich auch einen
Favoriten, aber ich habe überhaupt nicht das Verlangen danach, ihn
beim Kunden durchzupeitschen. Je stärker man selbst Feuer und Flamme
für einen Entwurf ist, desto eher läuft man Gefahr, den beratenden
Part im Gestaltungsprozess zu vernachlässigen.
Neben deiner Tätigkeit als Designer
und Blogger beschreibst du dich als Weltenbummler.
Wie regelmäßig nimmst du dir eine
Auszeit, um die Welt zu bereisen?
Ich versuche mir einmal im Jahr eine
solche Auszeit zu nehmen. Meist gelingt das auch, aber mit 2 Kindern
und einem Hund muss das auch im Einklang mit der Familie erfolgen. In
diesem Jahr war ich zum Wandern auf den Lofoten.
Was bringen dir deine Auszeiten für
dich persönlich und beruflich?
Beruflich bringt mir eine Reise nur
insofern etwas, weil sie mich gewissermaßen in der Balance hält.
Ich war nie jemand, dem Karrieremachen viel bedeutet hat. Ich
versuche vielmehr Arbeiten und Leben im Einklang zu bringen.
Gleichzeitig ziehe ich klare Grenzen. Kundenkontakt an Wochenenden
meide ich. Reisen machen mir immer wieder klar, dass es kein Problem
ist, wenn man das Smartphone 24 Stunden oder länger ausgeschaltet
lässt. Ich finde es befreiend, sich nach dem Aufstehen mit so
archaischen Fragen zu beschäftigen wie: Wohin gehe ich? Was esse
ich? Wo schlafe ich? Reisen erdet ungemein. Darüber hinaus sind
Reisen natürlich ungemein inspirierend, etwa aus fotografischer
Sicht.
Du hast im Jahr 2000 eine 9-monatige
Weltreise gemacht – durch Island, quer durch die USA
(Coast-to-Coast), Chile, Argentinien, Hawaii, Neuseeland, Tasmanien,
Australien, Bali und Sizilien. Was war dein schönstes und was dein
kuriosestes Erlebnis auf dieser Reise?
Das ist schwierig zu sagen. Kurios und
nicht ganz ungefährlich war die Konfrontation mit einem mehrere
hundert Kilo schweren Elchbullen in Wyoming, dessen Angriff ich
während einer Wanderung so gerade noch ausweichen konnte. Ebenfalls
einige Schweißperlen gekostet hat mich die Situation, als mein
Wagen, ein Unmengen an Öl schluckender Ford Mustang, mitten in San
Francisco auf einer vielbefahreren Kreuzung den Geist aufgab. Auf
beide Adrenalinschübe hätte ich gut verzichten können. Besonders
schön hingegen war die Zeit am Great Barrier Reef, wo ich während
eines Segeltörns tauchen und viele nette Menschen gelernt habe.
Überhaupt… in Hostels auf Gleichgesinnte zu treffen, um mit ihnen
zu qautschen, zu kochen oder um mit ihnen einen Teil der Reise
gemeinsam zu bestreiten, ist sicherlich mit das Schönste, was ich
mit meiner Weltreise verbinde.
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Alle Fotos: © Achim Schaffrinna |
Der schönste Fleck der Erde?
Egal, wie schön es an einem Fleck auch
sein mag, es gibt immer einen anderen Ort, an dem es mindestens
genauso schön sein kann. Die wichtigste Erfahrung ist sicherlich das
Gefühl, loslassen zu können. Das hilft auch im (Arbeits)Alltag. Mir
gefiel die Unberührtheit von Patagonien oder Tasmanien ebenso wie
das Great Barrier Reef, die vulkanisch aktiven Gebiete Islands oder
Hawaii. Ich finde aber auch, dass es auch hierzulande wunderbare Orte
gibt etwa den Königssee im Berchtesgadener.
Wenn ich es deinem Reiseblog richtig
entnommen habe, verreist du sowohl alleine als auch mit der Familie. Hast du einen Tipp – wo sollte ich
mit meinen Kindern unbedingt einmal gewesen sein?
Unsere Kinder (8 / 4) schwärmen heute
noch von den Wanderungen im Salzburger Land. Wasserfälle, Bergseen,
Höhlen, Murmeltiere, Blaubeeren, und…und…und. In solch einem
Umfeld vergisst man Wii & Konsorten ganz schnell. Auch den Darß
an der Ostsee behalten wir in sehr guter Erinnerung. Wasser und
Kinder, das passt!
Vielen Dank, Achim, für dieses vielseitige und interessante Interview! Wenn ich nicht eben erst aus dem Urlaub zurück wäre, hätte mich spätestens jetzt das Reisefieber gepackt …